24.06.2022

Iuventa: "Wir riskieren 20 Jahre Haft, aber sie werden die Solidarität nicht beenden!"

Am 21. Mai 2022 reisten vier Crewmitglieder des zivilen Such- und Rettungsschiffs "Iuventa" für den ersten Prozesstag der Voruntersuchung zum Gericht in Trapani auf Sizilien. Das Gericht wird in dieser Voruntersuchung entscheiden, ob sie wegen "Beihilfe zur irregulären Einwanderung" von Geflüchteten nach Italien angeklagt werden. Die vier Angeklagten der Iuventa-Crew trugen zur Rettung von mehr als 14.000 Menschen bei, die sich von Libyen aus auf den Weg nach Europa gemacht hatten. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen jeweils bis zu 20 Jahre Haft.

Insgesamt sind 21 Personen, unter anderem von Ärzte ohne Grenzen, Save the Children und der Iuventa, sowie eine Reederei, angeklagt. Was vor dem Gericht in Trapani verhandelt wird, sind nicht nur einzelne Seenotrettungsoperationen und deren Hintergründe, sondern auch und vor allem die immer weiter fortschreitende Kriminalisierung der Solidarität und der Ausübung von Menschenrechten, die Rolle Italiens in der Einschränkung der Zivilgesellschaft und die möglicherweise verheerenden Auswirkungen des Falles für Menschen auf der Flucht. Nachdem Italien 2014 die Seenotrettungsmission Mare Nostrum im Mittelmeer eingestellt hat, waren es zivilgesellschaftliche Organisationen, die die hinterlassene Lücke auf dem Meer gefüllt haben, um das Leben von Geflüchteten und Migrant*innen in Not auf der zentralen Mittelmeerroute zu retten – die tödlichsten Migrationsroute der Welt.

Die Iuventa wurde 2017 von italienischen Behörden beschlagnahmt und ist seitdem im Hafen von Trapani festgesetzt. Es wurden weitreichende Ermittlungen eingeleitet. Trotz der Tatsache, dass Zehntausende auf dieser tödlichen Route nach Europa ertrunken sind, argumentiert die Staatsanwaltschaft erneut damit, dass die Rettungen nicht aus Seenot erfolgten, sondern dass die Crew mit Schmugglern kooperierte. Diese Tendenz schränkt nicht nur den zivilen Raum für die Verteidigung der Menschenrechte ein, sondern hat auch weitreichende Folgen für die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen im Allgemeinen. Such- und Rettungs-Organisationen werden immer wieder zur Zielscheibe einer systematischen Repressions- und Kriminalisierungskampagne. Zudem geben unzulässige Ermittlungspraktiken – wie beispielsweise das illegale Abhören von Journalist*innen und Anwält*innen – Anlass zur Sorge. Um sicherzustellen, dass der Prozess fair und transparent abläuft, haben das European Center for Constitutional and Human Rights, Amnesty International, Giuristi Democratici, Demokratische Jurist*innen der Schweiz und die European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights beantragt, an den Anhörungen teilzunehmen.

Eine Pressekonferenz wurde vom European Center for Constitutional and Human Rights, Amnesty International, borderline-europe, European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights, Giuristi Democratici und Demokratische Jurist*innen der Schweiz am 17. Mai organisiert. Das Video zur Pressekonferenz ist hier abrufbar.

Am Vorabend des ersten Prozesstages luden das Arci Porco Rosso und die Aktivist*innen in Palermo zu einem antifaschistischen Fest ein, um sich mit der Besatzung der Iuventa zu solidarisieren.
Das Treffen am 20. Mai war eine Gelegenheit, um über den Kampf gegen die Solidarität zu sprechen, den viele Regierungen gegen Aktivist*innen führen.

Am 21. Mai hingegen standen wir vor dem Gericht von Trapani, um unsere uneingeschränkte Solidarität mit den Freund*innen der Besatzung des Schiffes "Iuventa" und denjenigen der anderen Rettungsschiffe, die derzeit vor Gericht stehen, zum Ausdruck zu bringen.
Wir versammlen uns auf der Straße, die Gericht und Hafen verbindet. Im Hintergrund ist die Iuventa zu sehen, die nun seit August 2017 dort festliegt und nicht mehr seetauglich ist.

Verteidigt die Menschenrechte und die Bewegungsfreiheit!
Stoppt die Kriminalisierung der Migration!
Freiheit für die Iuventa!

Timeline:

19.04.2024: Das Verfahren wurde eingestellt! Es wird nicht zu einem Hauptprozess kommen und jegliche Anklagepunkte wurden fallengelassen. 

Am Freitag, den 19.04.2024, wurden die Anklagepunkte gegen die Crew-Mitglieder des Seenotrettungsschiffes Iuventa und Mitglieder von Ärzte ohne Grenzen & Save the Children vor dem Gericht in Trapani endlich fallen gelassen und das beschlagnahmte Rettungsschiff wieder freigegeben. Zwei Rettungseinsätze der Iuventa (2016 und 2017) wurden von der italienischen Staatsanwaltschaft als “Schlepperei” ausgelegt, woraufhin den Angeklagten Beihilfe zur irregulären Einwanderung” vorgeworfen wurde und Haftstrafen von bis zu 20 Jahren drohten. Weitere Informationen über die Hintergründe der Anklage und einen detaillierten Verlauf der Ermittlungen und Verhandlungen vor Gericht, sind auf unserer Homepage zu finden.

Nach sieben Jahren hat das Gericht bekannt gegeben, dass es nicht in die Hauptverhandlungen gehen wird, weil keine Straftat begangen wurde” und die Haupt-Belastungszeugen unglaubwürdig seien. Das 2017 beschlagnahmte Rettungsschiff Iuventa ist mittlerweile ein Wrack. Es liegt im Hafen von Trapani und wurde in den sieben Jahren der Ermittlungen und Verhandlungen nicht in Stand gehalten. Nun hat der Richter zwar angeordnet, dass sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand gebracht werden soll, allerdings hat die Crew der Iuventa wenig Hoffnung, dass dies wirklich passieren wird. Der Prozess gegen die Iuventa-Crew ist bisher der größte Prozess in der Kriminalisierung der Seenotrettung und ist durch und durch ein politisch motivierter Prozess, der abschrecken sollte. Innerhalb der europäischen Abschottungspolitik, werden Italiens immer härtere Maßnahmen gegen Seenotretter*innen und Flüchtende weitgehend kritiklos hingenommen. 2023 wurden in Italien Seenotrettungsschiffe für insgesamt 430 Tage blockiert, während im Mittelmeer Menschen starben. Auch auf Seiten der zivilen Seenotrettung und Aktivist*innen ist der Prozess zu einem politischen Kampf gegen das menschenverachtende europäische Grenzregime geworden. "Der Prozess sollte zu einer politischen Bühne werden, zu einem Kampfmittel, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Migration systematisch kriminalisiert wird, wie gegen Menschen auf der Flucht vorgegangen wird."  (Kathrin Schmidt, Iuventa-Crew)

Obwohl sich unter den Angeklagten nach der letzten Verhandlung Erleichterung ausbreitet, wird deutlich, dass dieser Kampf noch nicht vorbei ist: so äußert sich beispielsweise Tommaso Fabbri (Ärzte ohne Grenzen) mit folgenden Worten zu den extremen Kosten des Prozesses (3 Millionen Euro) und der verlorenen Zeit: “Können Sie sich vorstellen, wie viele Dinge mit all diesem Geld hätten getan werden können, um Leben zu retten? [...] Die wahren Opfer sind nicht wir, sondern alle Menschen, die auf dem Meer gestorben sind und noch sterben.” 

Die Entscheidung im Prozess gegen die Iuventa Crew war dennoch ein wichtiger Erfolg für Menschen auf der Flucht und die zivile Seenotrettung, denn sie hat eins ganz deutlich gemacht: dass das retten von Menschen keine Straftat, sondern ein Recht, ja sogar eine Pflicht” ist, so der Anwalt Nicola Canestrini nach dem letzten Tag vor Gericht. Auch laut ECCHR betrifft die Entscheidung die “gesamte zivile Seenotrettung” und ist eine “wichtige Säule der Solidarität mit Menschen auf der Flucht”. 

Der Fall der Iuventa hat in den letzten Jahren verhältnismäßig viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, aber Geflüchtete, die bei ihrer Ankunft als “Schlepper” verhaftet werden und oft jahrelange Haftstrafen absitzen müssen, bekommen leider immer noch kaum Aufmerksamkeit. Das mediale und politische Interesse scheint hier sehr gering zu sein. Dies betont auch Kathrin Schmidt nach der Verhandlung am 19. April nochmal in einem Interview: “Das Ziel aller Kriminalisierung und Repression im Zusammenhang mit dem Grenzregime, der Grenzgewalt und allem, was die Rettung auf See behindert, richtet sich letztlich gegen Menschen auf der Flucht. Sie sind es, die Europa aufhalten will. Sie sind es, die Europa jeden Tag tötet. Es sind diese Menschen, über die gesprochen werden muss. Es sind diese Menschen, denen zugehört werden muss [...]” 

28.02.2024: Laut der Presseerklärung der IUVENTA-Crew forderte die Staatsanwaltschaft nach sieben Jahren die Einstellung des Verfahrens im IUVENTA-Prozess. Diese Eintscheidung basiere darauf, dass die Hauptzeugen nicht glaubwürdig seien und es keine Grundlage für ein Fehlverhalten der Angeklagten gebe. Die ganze Presseerklärung findet ihr hier.

11.02.2024: Iuventa-Prozess zerfällt: Hauptbelastungszeug*innen komplett unglaubwürdig

Dass die italienischen Strafverfolgungsbehörden ein riesiges Verfahren aus dem Boden stampften, das inzwischen fast 7 Jahre andauert, ein Schiff beschlagnahmten, das inzwischen verrottet ist, und sich dabei lediglich auf die Aussagen zweier geschasster Ex-Polizist*innen stützten, ist ein riesiger Skandal – und hat System. Mehr findet ihr hier.

15.12.2023: Richter verlangt Schlüsselzeugen und mehr Beweise:

Nachdem der Iuventa-Prozess von der Staatsanwaltschaft als großer Prozess gegen die private Seenotrettung im Mittelmeer inszeniert wurde, hat nun der verantwortliche Richter in Trapani mehr Beweise und Zeug*innen verlangt, um entscheiden zu können, ob es zu einem Prozess kommen soll oder die Ermittlungen eingestellt werden müssen. "So sehr wir auf ein Ende des Prozesses hoffen und so sehr wir es leid sind, dass die einzig mögliche Entscheidung – ein vollständiger Freispruch – hinausgezögert wird, so sehr begrüßen wir die Tatsache, dass endlich das geschieht, was schon vor Jahren hätte geschehen müssen: die Anhörung der relevanten Zeugen und die Konfrontation ihrer Aussagen mit der Realität der Fakten!" So in einem Statement der Iuventa-Crew. Die nächsten Verhandlungen stehen im Januar an.

23.11.23: Zwölf NGOs erstatten Strafanzeige in Italien und fordern eine Untersuchung: Wer ist für die Zerstörung des Rettungsschiffes Iuventa verantwortlich? Verschiedene zivile Organisationen haben sich der Iuventa-Crew angeschlossen und gemeinsam Strafanzeige erstattet. Sie fordern, dass die Verantwortlichen für die Zerstörung des Rettungsschiffs Iuventa seit der Beschlagnahmung im August 2017 gefunden werden. Die NGOs haben jeweils Strafanzeige in derselben Angelegenheit erstattet, um zu verhindern, dass die zuständige Staatsanwaltschaft in Trapani diese ignoriert. Im Oktober 2022 wurde bei einer Inspektion durch die Reederei der katastrophale Zustand des Schiffes festgestellt. Vernachlässigte Wartung durch die italienischen Behörden und fehlende Sicherheitsvorkehrungen hatten zu einem Zustand der Verwahrlosung und schließlich zu Plünderungen und Zerstörungen durch Unbekannte geführt. Die Ergebnisse der Inspektion wurden im Dezember 2022 vom Gericht in Trapani bestätigt, mit der Auflage, das Schiff wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Damit wurde die Verletzung der Sorgfaltspflicht de facto anerkannt, ohne jedoch eine verantwortliche Körperschaft zu benennen. Die NGOs fordern nun gemeinsam, dass dies nachgeholt wird. Die gemeinsame Aktion ist als Zeichen einer starken organisationsübergreifenden Solidarität zu werten. Zu den teilnehmenden Organisationen gehören neben unserer Organisation auch Sea Watch, SOS Humanity, Mediterranea, Louise Michel, United4Rescue, Mission Lifeline, Mare-GO, Sea Punks, Alarm Phone, R42-sailtraining UG und ResQ.

13.10.2023: Nach sieben Jahren von Ermittlungen und Vorverfahren haben die Angeklagten der IUVENTA-Crew erstmals die Möglichkeit Statements vor Gericht abzugeben. Die IUVENTA-Crew postet nach dem Prozesstag Teile ihrer Statements auf Social Media. Darius, ein Angeklagter der IUVENTA Crew, schildert, was 2017 passiert ist. Er erklärt, dass die IUVENTA nach einem Einsatz gezwungen wurde, fünf der über 100 geretteten Menschen nach Lampedusa an Land zu bringen. In den drei Tagen, die das Schiff brauchte, um nach Lampedusa und zurückzufahren befanden sich in ihrer Nähe 21 weitere Boote in Seenot. Beim Stopp in Lampedusa wurde das Schiff unbemerkt als Teil der Ermittlungen verwanzt. Als es dann in die Such- und Rettungszone zurückkehrte waren fünf der 21 Boote verschwunden und die Menschen wahrscheinlich ertrunken: „Ich wünschte die Staatsanwaltschaft hätte sich die Schreie der tausend Menschen von diesen fünf Booten, die verschwunden sind, anhören müssen, anstatt unsere langweiligen Gespräche auf der Brücke.“ Sascha, ein anderer Angeklagter der IUVENTA-Crew, betonte, warum die bisher im Prozess genutzten Augenzeugenberichte falsch sind und welche Beweise in Betracht gezogen werden sollten. Bei den Statements der Angeklagten verlassen zwei der drei Staatsanwält*innen den Saal.

6.10.2023: Die beiden Expert*innen werden zu dem Verfahren des Anhörens, der Transkription und der Übersetzung der Abhörung von den Strafverteidiger*innen befragt. Bei der Diskussion der Übersetzung des Begriffs ‚boat driver‘ erklärt ein*e Expert*in, dass es tatsächlich zu einem Missverständnis kam und die Übersetzung im Italienischen ‚conducente‘ statt ‚scafista‘ lauten sollte. Es wurde lediglich vergessen diese Änderung im italienischen Transkript vorzunehmen.

29.09.2023: Der Richter stimmt dem Antrag der Strafverteidiger*innen zu, zwei neue Personen als Zeug*innen anzuhören. Dabei handelt es sich um zwei Expert*innen, die die abgehörten Konversationen anhörten, transkribierten und übersetzten. Die Zulassung der Zeug*innen ist wichtig für die Strafverteidiger*innen um den Inhalt des Abgehörten zu klären. Da einzelne Worte mehrere Bedeutungen haben können, kann es bei der Übersetzung der abgehörten englischen Konversationen ins Italienische zu Unklarheiten kommen. Streitpunkt war vor allem die Übersetzung des englischen Begriffs ‚boat driver‘ als ‚scafista‘ im Italienischen. Im Gegensatz zu dem neutralen englischen Wort, wird der umgangssprachliche italienische Begriff mit kriminellen Aktivitäten assoziiert. Die Frage war hier also vor allem, warum ‚boat driver‘ nicht mit dem neutraleren italienischen Begriff ‚conducente‘ (Fahrer) übersetzt wurde.

08.09.2023: Die Verhandlung über die Zulässigkeit der Abhörungen als Beweise geht weiter. Nachdem die Staatsanwaltschaft und die IUVENTA-Anwält*innen sich äußern, gibt der Richter seine Entscheidung bekannt: Er weißt die Einwände der Verteidigung zurück. Damit kann das durch Abhörungen gewonnene Material als Beweis im IUVENTA-Prozess benutzt werden. 

14.07.2023: Bereits im März kam vor Gericht die Frage auf, ob das Gericht in Trapani überhaupt für das Verfahren zuständig sei. Die Frage entstand deshalb, weil über Such- und Rettungsmissionen im zentralen Mittelmeer verhandelt wird. Die territoriale Zuständigkeit ist daher nicht eindeutig. Nun hat das Verfassungsgericht (sog. Kassationsgericht) geurteilt: Fünf verschiedene Gerichte (Trapani, Castrovillari, Palermo, Ragusa, Vibo Valentia) sind für das Verfahren zuständig. Abhängig ist die territoriale Zuständigkeit davon, in welchen Hafen die Schiffe nach Abschluss ihrer Such- und Rettungsmaßnahmen eingefahren sind. Das Verfahren solle dementsprechend geteilt werden.

Außerdem beantragen die Strafverteidiger*innen, dass bestimmte Beweise aus der Abhörung des MSF-Schiffs “Vos Prudence" als unzulässig erklärt werden. Die Strafverteidiger*innen erklären, dass es schwerwiegende Fehler bei der Anordnung der Abhörung durch den Richter im Ermittlungsverfahren und bei der Art und Weise wie die Staatsanwaltschaft die Abhörung durchführte, gab.

24.06.2023: Das Gericht hat die Anträge, die die Anwält*innen der Iuventa Crew gestellt hatten, abgehlent. Durch die Anträge wollten die Anwält*innen das Verfassungsgericht aufrufen die betreffenden italienischen Normen auf die Verfaussungsmäßigkeit zu überprüfen. Die nächste Anhörung ist für den 14. Juli 2023 in Trapani angesetzt.

12.05.2023: Die Anwälte der Iuventa Crew haben einen Antrag eingereicht, der den Verlauf des Prozesses radikal verändern könnte. Die Anwälte Francesca Cancellaro, Alessandro Gamberini und Nicola Canestrini bitten den Richter in Trapani, vor dem Verfassungsgericht die Frage der verfassungsrechtliche Legitimität des Artikels 12 des Migrationsgesetzes zu stellen. Der zweideutige und komplexe Wortlaut von Artikel 12 ist der Grund für viele Anschuldigungen, die im Laufe der Jahre gegen Aktivisten - von NGO-Schiffsbesatzungen bis hin zu Baobab-Mitgliedern oder Helfern von Transitreisenden in Ventimiglia und Triest - und Migranten erhoben wurden. Gleichzeitig drängen sie auf eine vorläufige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf das "Facilitators Package", d. h. das Paket von EU-Vorschriften, das die gleiche Frage auf EU-Ebene regelt.

15.03.2023: Während das Gericht die Zuständigkeit Italiens für Seenotrettungseinsätze in internationalen Gewässern bestätigte, ist derzeit noch völlig unklar, ob die Staatsanwaltschaft in Trapani überhaupt für den gesamten Fall zuständig ist. Das Gericht enthielt sich jedoch einer Entscheidung und beschloss stattdessen, die Angelegenheit zur Klärung an das höchste italienische Gericht, den Kassationshof, zu verweisen. Obwohl diese grundsätzliche Frage bis zur Entscheidung des höchsten Gerichts offen bleibt, wird der Prozess in Trapani am 24. März fortgesetzt.

01.03.2023: Während der Vorverhandlung an diesem Tag ergriffen die iuventa-Verteidiger*innen das Wort, um der Opfer des tragischen Schiffsunglücks in Crotone zu gedenken. Anschließend versuchte die Staatsanwaltschaft, die italienische Gerichtsbarkeit und ihre territoriale Zuständigkeit zu verteidigen. Die Entscheidung des Richters über die von der Verteidigung vorgebrachten Einwände ist für den 15. März 2023 vorgesehen.

25.02.2023: In einer Vorverhandlung lehnte das Gericht den Antrag des Büros des Premierministers auf Teilnahme am Prozess ab; das Innenministerium wurde vielmehr formell als Drittpartei zugelassen, ohne jedoch auf den Inhalt seiner Forderungen einzugehen.

12.02.2023: Das iuventa-Team erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Trapani wegen der Aufgabe des Rettungsschiffs iuventa und des daraus resultierenden Verfalles.

10.02.23: Trapani, 10. Februar 2023. In einer zehnstündigen Verhandlung vor dem Gericht von Trapani wurde letztendlich der Einspruch der IUVENTA-Anwält*innen wegen unzureichender Verdolmetschung während der Verhöre vom Richter zurückgewiesen. Zwar wurde anerkannt, dass viele Fehler gemacht wurden, jedoch seien diese nur als "Unregelmäßigkeiten" zu betrachten und würden der allgemeinen Fainess des Prozesses nicht im Wege stehen. Durch diese Entscheidung wendet sich der Richter auch gegen die Meinung der vom Gericht bestellten Sachverständigen, die die vom Gericht zur Verfügung gestellten Dolmetscher*innen als ungeeignet erklärten. Auch der Antrag des Innenministeriums sowie des Büros der Premierministerin wurden diskutiert, da dieser jedoch gravierende Fehler enthielt wurde er als unzulässig erklärt. Ein*e Regierungsvertreter*in musste sich darauf hin vor Gericht für diese Fehler entschulidgen. Die entgültige Enscheidung des Richters zur Beteiligung der Regierung wird bei der nächsten Verhandlung am 25.02.2023 bekannt gegeben.

19.12.22: Nach einem Antrag von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni möchte der italienische Staat nun im Prozess gegen Iuventa als Zivilkläger zugelassen werden. Dies stellt die politische Motivation des Verfahrens, das sich weiterhin in der Vorverhandlung befindet, unter Beweis.

03.12.22: Internationale Beobachter*innen wurden im Prozess gegen IUVENTA zugelassen und diese durften nun das erste Mal bei den Verhandlungen teilnehmen, was laut der Anwältin der Verteidigung für ein faireres Verfahren hilfreich sein kann. Weitere Fortschritte gibt es in dem Prozess aufgrund der Verfahrensfehler und Nicht-Gewährleistung eines den Standards entsprechendem fairen Verfahrens auf Seiten der Staatsanwaltschaft weiterhin nicht.

12.11.22: Trapani, 12. November 2022. Im größten Gerichtsverfahren gegen Besatzungsmitglieder der zivilen Seenotrettung gibt es seit fünf Jahren nicht nur keine ausreichenden Beweise, um die Beschlagnahmung eines Rettungsschiffes zu rechtfertigen, geschweige denn die Androhung von 20 Jahren Haft. Dieses Strafverfahren lässt auch die Grundprinzipien eines fairen Verfahrens vermissen.

31.10.22: 5 Jahre nach der Beschlagnahmung des iuventa-Schiffes wurde der Prozess am vergangenen Samstag, den 29. Oktober 2022, zum zweiten Mal vertagt, wiederum aufgrund von Fehlern der Staatsanwaltschaft. Eine anschließende freiwillige Befragung eines der iuventa-Angeklagten durch die Polizei musste nach wenigen Minuten wegen unzureichender Verdolmetschung abgebrochen werden. Die iuventa-Angeklagten baten darum, von ihrem Recht auf freiwillige Vernehmung durch die Behörden Gebrauch zu machen.

29.10.22: Das Verfahren gegen vier Besatzungsmitglieder der IUVENTA und 17 weitere Angeklagte, denen "Beihilfe zur unerlaubten Einwanderung" vorgeworfen wird, wurde aufgrund von Verfahrensfehlern der Staatsanwaltschaft ausgesetzt. Der Richter wies die Behauptung der Staatsanwaltschaft zurück, die Verfahrensfehler könnten ignoriert werden.


16.06.22 Aufschub: Aufgrund von Verfahrensfehlern der Staatsanwaltschaft in Bezug auf eine mangelnde Aufklärung der Angeklagten und den hiermit einhergehenden Grundrechtsverletzungen wurde das Verfahren bis zum kommenden Herbst ausgesetzt.

21.05.22 Vorverhandlung in Trapani: Nach 5 Jahren Ermittlungen eröffnet das Gericht von Trapani die Vorverhandlung, in der entschieden wird, ob der Fall zu einem Prozess führt oder nicht. Die Anfrage der Anwält*innen und Angeklagten die Vorverhandlungen für die Öffentlichkeit, und somit für unabhängige Prozessbeobachter*innen zu öffnen wurde, von dem Richter genehmigt doch von der Staatsanwaltschaft vorerst abgelehnt. Aus der Anhörung hat sich ergeben, dass es verfahrenstechnische Fehler in den Ermittlungen gab, die die Staatsanwaltschaft in den kommenden Wochen beheben bzw. klären muss. Am 05.07.22 kommt es zu der nächsten Anhörung im Beisein der Angeklagten.

Ausgewählte Presse- und Linksammlung:

Zum Fall:

Nach der Pressekonferenz (17.Mai):

Englisch/Italienisch:


Video: