RETTUNG UNERWÜNSCHT - Italiens Versuche, die Seenotrettung Geflüchteter zu kriminalisieren

Seit vielen Jahren begeben sich Menschen in seeuntüchtigen Booten auf die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa. Internationales Seerecht besagt, dass alle Menschen, die sich in Seenot befinden, gerettet werden müssen. Die nach nur einem Jahr eingestellte italienische militärische Rettungsmission Mare Nostrum und der Beginn der zivilen Seenotrettungsmissionen im Jahr 2014 zeugen von fehlenden staatlichen und europäischen Rettungsmissionen. In den letzten Jahren zeigte sich jedoch, dass die Pflicht, zu retten oftmals nicht „nur“ missachtet, sondern staatlicherseits auch aktiv dagegen vorgegangen wird. Dies geschieht durch die Kriminalisierung der Besatzung eines Seenotrettungsschiffs, die verwaltungstechnische Festlegung des Schiffs durch italienische Behörden oder durch die Blockade eines Schiffes auf See mit Geretteten an Bord und der Verweigerung einer Zuweisung eines sogenannten „sicheren Hafens“. Laut Seerecht ist eine Rettung erst vollendet, wenn die Geretteten an Land eines „sicheren“ Ortes gebracht werden. Das Konzept des „sicheren Hafens“ und die Einstufung in „sicher“ und „unsicher“ ist jedoch eine Erfindung Europas. Dass Libyen nicht als sicher gelten kann, wird zwar offiziell aufgrund der fehlenden Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, in der Realität allerdings nicht beachtet. Nicht-Rettungen und gewaltsame Zurückweisungen nach Libyen finden systematisch statt. Seenotrettung von italienischer und europäischer Seite ist nicht erwünscht, dies lässt sich an unzähligen Beispielen fest machen. In diesem Bericht versuchen wir, einen Überblick über die Fälle von 2002-2020 zu geben und diese in den jeweiligen politischen Kontext einzuordnen. Er hat keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll zeigen, wie sich die italienische und europäische Politik immer wieder neue Methoden ausdenkt, um Seenotrettung zu blockieren und so Menschen sterben zu lassen. borderline-europe zeigt in dem Bericht auf, dass nicht nur die zivilen Seenotrettungsvereine und Plattformen, sondern schon seit den frühen 2000er Jahren auch rettenden Fischer ein Opfer der europäischen Abschottungspolitik werden. Seenotrettung kann niemals eine kriminelle Handlung sein. Doch sie ist politisch unerwünscht. Der Bericht zeigt auf, wie für eine der selbstverständlichsten Handlungen der Welt, dem Retten von Menschenleben auf hoher See, mit zweierlei Maß gemessen wird. Rettung unerwünscht ist all den Menschen gewidmet, die die europäische Abschottung mit dem Leben bezahlen mussten und denen, die sich über die mögliche staatliche Kriminalisierung hinweggesetzt und gerettet haben.

Sprache(n): Deutsch / German
Herausgeber: borderline-europe

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Jahresbericht 2023: Widerstand gegen das europäische Grenzregime

2023 war kein gutes Jahr für die Menschenrechte. Politisch scheint in der EU alles dafür getan zu werden, die Festung Europa zu stärken. Damit sollen möglichst viele Menschen davon abgehalten werden, Schutz in der EU zu suchen. Die Leidtragenden sind, wie immer, die Flüchtenden selbst. Bei alldem können wir nicht tatenlos zuschauen. Auch 2023 haben wir kritisch beobachtet, dokumentiert, informiert und interveniert. Die Ergebnisse unserer Arbeit findet ihr im folgenden Bericht.
Sprache(n): Deutsch / German

Italian-Libyan Pacts on Migration - How a renovated partnership is negatively impacting the rights of people on the move

Italy and Libya have been collaborating for a long time to prevent people on the move to reach Europe. People on the move have spoken up multiple times about the situation in detention camps and the many tortures inflicted by Libyan authorities and its militias. However, Italy and the European Union are purposely ignoring such testimonies of violation of human rights and keep funding and training the Libyan coast and border guards.
Sprache(n): Englisch / English

Streiflicht Italien - Zonen der Rechtlosigkeit

Wie leben Menschen dort, wo niemand hinsieht? In der neuen Ausgabe unseres Streiflicht Italien beschäftigen wir uns mit der Rechtlosigkeit, mit der Migrant*innen und Schutzsuchende, nach ihrer Ankunft in Italien und Libyen, konfrontiert werden. Grundlegende Rechte und Schutzmechanismen bleiben den Meisten dort verwehrt.
Sprache(n): Deutsch / German