20.12.2021

Vos Thalassa: Recht auf Selbstverteidigung gegen Abschiebung nach Libyen anerkannt

Der Oberste Italienische Gerichtshof hat am 18 Dezember Ibrahim Bushara aus dem Sudan und Hamid Ibrahim aus Ghana freigesprochen, die im Zusammenhang mit dem Vos Thalassa-Vorfall wegen schwerer Gewalt und Beihilfe zur unerlaubten Einreise angeklagt waren. Das Gericht erkannte ihr Recht auf Selbstverteidigung an, da sie sich gegen die Rückführung an einen unsicheren Ort wie Libyen wehrten.

Am 8. Juli 2018 wurden 67 Menschen in der libyschen SAR-Zone von dem unter italienischer Flagge fahrenden Schlepper Vos Thalassa gerettet. Die italienischen Behörden wurden über den Einsatz informiert und leiteten die Nachricht an die sogenannte libysche Küstenwache weiter, die den Schlepper anwies, die nordafrikanische Küste anzusteuern, um die Menschen an sie zu übergeben. In der Nacht bemerkte einer der Passagiere, dass das Schiff seinen Kurs änderte und auf die libysche Küste zusteuerte.

Angesichts der Aussicht, nach Libyen zurückzukehren, verbreiteten sich Angst und Panik unter den Geretteten an Bord, die versuchten, die Besatzung davon zu überzeugen, sie nicht zurückzufahren, wobei Einige Berichten zufolge Drohungen aussprachen. Das italienische MRCC griff auf Ersuchen der Schlepperbesatzung ein und schickte die Marineeinheit der Küstenwache, die die Menschen schließlich am 12. Juli nach Italien brachte. Nach dem Anlegen wurden Ibrahim und Hamid als "Anführer" der sogenannten Revolte angeklagt und der schweren individuellen Gewalt gegen die Besatzung sowie der Beihilfe zur unerlaubten Einreise beschuldigt.

Im Mai 2019 entschied das Gericht von Trapani, dass das den beiden Personen vorgeworfene Verhalten nicht bestraft werden kann. Es wurde die Rechtfertigung der Selbstverteidigung anerkannt, da sie gehandelt hatten, um ihr Recht zu schützen, nicht nach Libyen überführt zu werden, wo sie der konkreten Gefahr von Gewalt und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt gewesen wären. Im Juli 2020 hob das Berufungsgericht in Palermo das Urteil jedoch auf und verurteilte die beiden zu drei Jahren und sechs Monaten Haft, da es die Nichtzurückweisung nicht als subjektives Recht, sondern nur als einen den einzelnen Staaten auferlegten Verhaltensgrundsatz anerkannte.

Jetzt wurden die beiden Männer freigesprochen und ihre Handlungen gerechtfertigt, denn wenn sie sich der Entscheidung der Besatzung, nach Libyen zurückzukehren, nicht widersetzt hätten, wären sie unter erneuter Bedrohung ihres Lebens zurückgebracht worden.