Keine Ankünfte, mehr Abschiebungen: Matteo Salvinis Abschottungspropaganda

Palermo, 04.06.2018

Kaum vereidigt, hat der neue Innenminister Italiens Matteo Salvini sich sofort auf den Weg nach Sizilien gemacht. Kein Zufall, denn hier an „unserer Grenze“, wie Salvini die Insel bezeichnet, kann er die Stoßrichtung seiner Migrations- und Abschottungspolitik so deutlich wie nie vor Augen führen: Hilfsorganisationen sollen nach Vorstellung der neuen italienischen Regierung künftig keine Flüchtlinge mehr retten, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind. Die Rettungs-NGOs bezeichnete Salvini als „Vize-Schlepper“, denen der Zugang zu den italienischen Häfen verweigert werden soll.

Dabei operieren im Mittelmeer inzwischen nur noch wenige Hilfsorganisationen, die Zahl der Ankünfte ist nach dem Abkommen der italienischen Vorgängerregierung mit Libyen erheblich gesunken, wohingegen die Todesrate im zentralen Mittelmeer weiter steigt. Noch während Salvinis Besuch ereignete sich vor der Küste Tunesiens ein Bootsunglück mit mindestens 46 Toten.[1]
Salvinis Aussagen haben in Italien bereits Proteste ausgelöst. Der Anti-Mafia-Schriftsteller Roberto Saviano erklärte, es sei „erbärmlich“, die Rettungsorganisationen als „Vize-Schlepper“ zu bezeichnen und erinnerte daran, dass die Rettungs-NGOs Leben retten und ausschließlich im Auftrag der italienischen Küstenwache tätig werden. Salvini liefere keine Antworten, sondern ausschließlich pauschale Repression.

Und nicht nur die ankommenden, sondern auch die bereits in Italien lebenden Migrant*innen schließt Salvini in seine Repressionspropaganda ein: „Für die Illegalen ist der Spaß vorbei, sie müssen die Koffer packen.", sagte er in einer seiner Reden, die er meist unter tosendem Applaus halten darf. 500.000 Migrant*innen, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Italien seien, will er abschieben. Wie das möglich sein soll, bleibt dabei unklar: Nach Schätzungen von Frontex kostet jede Abschiebung durchschnittlich rund 3.000 Euro für Flüge und Begleitpersonen, so dass die Rückkehr einer halben Million Menschen nach Afrika und Asien mindestens 1,5 Milliarden Euro kosten würde. Bei der derzeitigen Rate von etwa 6.000 Rückführungen pro Jahr würde es etwa 83 Jahre dauern, all diese „irregulären Einwanderer“ zurückzubringen.[2]


Eine wichtige Station im Rahmen von Salvinis Sizilien-Besuch war auch der Hotspot in Pozzallo. Bei seiner Ankunft wurde der Minister nicht nur von Anhänger*innen, sondern auch von einer lautstarken Potrestgruppe begrüßt: Mit einem Schild „Welcome refugees“ machten sie darauf aufmerksam, dass Salvinis Abschottungsrhetorik nicht die Probleme Italiens löse. „Salvinis Propaganda ist von nationalistischen und rassistischen Inhalten geprägt. In der aktuellen Situation Italiens in dieser Art und Weise mit den Menschen zu sprechen, ist gefährlich“, sagte Paola Ottaviano, Anwältin unseres Schwestervereins Borderline Sicilia und ebenfalls unter den Protestierenden in Pozzallo.
Salvinis Besuch in Sizilien scheint nur der Beginn eines Propaganda-Feldzugs zu sein: Ein Krieg der Schwächsten gegen die Schwächsten – mit unabsehbaren Folgen für Italien.

Alfio Furnari
borderline-europe, Sizilien