Für ein Europa ohne Grenzen – jeden Tag!

Heute, am 20. Juni ist der sogenannte Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen. In etwa hundert Ländern finden Veranstaltungen statt, bei denen die Teilnehmenden ihre Solidarität mit Geflüchteten zum Ausdruck bringen. Doch scheint dies in Anbetracht der jüngsten Ereignisse auf dem Mittelmeer eher eine Farce zu sein!

Knapp drei Tage (10.-12.06.2018) warteten die Crews von Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranée auf die Erlaubnis, 629 aus Seenot gerettete Flüchtende in einen sicheren italienischen Hafen bringen zu können. Am 10.06.2018 wurde dem Rettungsschiff durch das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom die Anweisung gegeben, eine Position zwischen dem italienischen und maltesischen Festland beizubehalten, anstatt wie immer nach Rettungseinsätzen im zentralen Mittelmeer direkt einen italienischen Hafen anzufahren. Die Aquarius hatte aus sechs Rettungseinsätzen insgesamt 629 Menschen an Bord. 400 davon wurden von der italienischen Marine, der Küstenwache und von Handelsschiffen auf das zivile Rettungsschiff transferiert[1], unter ihnen 134 Kinder und sieben Schwangere. Erst nach tagelangem Warten folgte am 12.06. die Anweisung, nach Spanien zu fahren, nachdem der spanische Regierungschef Pedro Sanchez angekündigt hatte, dem Schiff Zufahrt zum Hafen von Valencia zu ermöglichen. Die risikoreiche Überfahrt dorthin dauerte mehr als vier Tage (12.-17.06.2018) und gefährdete nicht nur die Gesundheit der Menschen auf dem Rettungsschiff, sondern aufgrund der langen Abwesenheit der dringend notwendigen Rettungsschiffe auch das Überleben aller Menschen auf der Flucht über die zentrale Mittelmeerroute.

Verantwortlich für diese Entscheidung ist der neue italienische Innenminister Matteo Salvini, der eine Einfahrt in italienische Häfen verweigerte und auf den Inselstaat Malta verwies. Malta wiederum wies eine Zuständigkeit ab, da die Rettungsmission von Rom aus koordiniert wurde. Dies ist nicht das erste Mal, dass in Europa Verantwortlichkeiten auf Kosten von Menschenleben hin und her geschoben werden. Im Oktober 2013 sank ein Boot mit mehreren Hundert Menschen vor der Insel Lampedusa. Trotz Notruf griff ein italienisches Marineschiff in der Nähe nicht ein, da Italien und Malta sich gegenseitig die Verantwortung zur Rettung zuschoben - mehr als 260 Menschen starben[2]. Auch aktuell geht das nervenzerreissende Warten auf die Zuweisung eines sicheren Hafens durch die italienischen Behörden weiter. Am 12. Juni war die NGO Sea Watch von der US Trenton, einem amerikanischen Kriegsschiff um Hilfe für die von ihnen zuvor geretteten 41 Menschen gebeten worden, tagelang wurde jedoch kein sicherer Hafen zugewiesen, weshalb die Sea Watch die Personen nicht übernehmen konnte. Die Geretteten wurden an ein italienisches Küstenwachschiff übergeben, das seinerseits mit mehr als 500 Geretteten an Bord mehrere Tage auf die Zuweisung warten musste. Erst am 19.6. durfte es in den Hafen von Pozzallo einfahren.[3] Innenminister Salvini droht jedoch nicht nur den NGO-Seenotrettern, sondern will auch die italienische Küstenwache aus dem Seenotrettungsgebiet zurückziehen.[4]

Die rechtsextreme italienische Regierung hat die Abschottungspolitik gegen Migrant*innen nicht erfunden. Die Schließung der italienischen Häfen für ein Seenotrettungsschiff mit 629 Personen an Bord reiht sich ein in die repressive europäische Migrationspolitik, deren Instrumente weit über die bloße Grenzsicherung hinaus gehen. Der Bruch mit geltendem Völkerrecht wird dabei billigend in Kauf genommen.  Rechtspopulisten wie Italiens Innenminister Matteo Salvini finden in Europa zurzeit viele Verbündete – der deutsche Innenminister Seehofer hat ihn kurzerhand anerkennend zu einem Gespräch über effektiven Grenzschutz nach Deutschland eingeladen. Auch dieser wird nicht müde, im Zusammenhang mit Asylpolitik immer wieder von Grenzsicherung zu sprechen und meint damit auch die Abschottung Deutschlands von den Nachbarländern der EU[5]. Diese Politik gefährdet nicht nur Menschenleben auf dem Mittelmeer, sondern heizt darüber hinaus im öffentlichen Diskurs die Stimmung innerhalb Europas zugunsten rassistischer Ressentiments an.

Doch es gibt auch Gegenstimmen. So bekundeten neben der spanischen Regierung auch die Bürgermeister der italienischen Städte Palermo, Neapel, Messina und Reggio Calabria sowie die korsische Regionalregierung ihre Bereitschaft, das Rettungsschiff Aquarius einlaufen zu lassen. Und auch aus der Zivilgesellschaft gibt es lauten Protest gegen die Anti-Migrationshaltung und den aufblühenden Rassismus in Europa. Wir sind Teil dieser kritischen Zivilgesellschaft und solidarisieren uns mit all denen, die für das Recht auf Bewegungsfreiheit und ein Europa ohne Grenzen kämpfen!

Hier könnt ihr selbst aktiv werden und unterzeichnen:

Petition von Sea-Watch: Der Streit um Migration darf nicht auf Kosten von Menschen in Not geführt werden!

Aufruf des Netzwerks Kritnet, medico international und ISM: Solidarität statt Heimat!

Europäische Bürgerinitiative: We are a welcoming Europe!

#apriteiporti #openhearts #openports